Reiche fette Hungerleider

Woher kommt eigentlich dieser Gedanke, man könne sich mit Lust verschenken? Aus der Liebeslyrik des 19. Jahrhunderts oder aus der Bibel? Nun mag es ja angehen, dass man Liebe verschenkt, weil die sich dann auch so schön wundersam vermehrt und weil es andersherum Prostitution wäre. Aber schon Jesus hat nur deshalb so selbstlos durch die Lande ziehen können, weil er in seinem Gefolge jede Menge begeisterter Mäzene hatte. Die Sache mit Luft und Liebe fühlt sich irre gut an, aber von Luft und Liebe allein kann Homo capitalensis bekanntlich keinen Kühlschrank füllen. Verschenken im Privaten ist schön, aber es gibt Grenzen.

Wo diese Grenzen für TexterInnen liegen, zeigen zwei sehr schöne Beispiele, die ich jedem Autor und jedem Nutzer von Texten wärmstens ans Herz lege. Carla Berling regt sich herrlich unterhaltsam über Veranstalter auf, die die Chuzpe haben, Auftritte für umme abgreifen zu wollen. Und Kathrin Elfmann gibt ein dreistes Agenturgespräch wieder mit einem, der ihre Arbeit geschenkt haben möchte. Zufall, dass so etwas häufiger Frauen passiert, die ohnehin sehr viel weniger verdienen als ihre männlichen Kollegen - für gleiche Arbeit und gleiche Leistung?

Mir passiert das auch. Immer häufiger. Ich würde ja derart professionell, journalistisch, wertvoll, unterhaltsam und mit Tiefe bloggen! Ich sei ja so gewandt in Social Media, eine wahre Zauberin der Kontakte!
Nach so viel Honig ums Maul frage ich immer kritisch, worum es denn gehe.
Man könne sich ja so viel vorstellen! Was dann kommt, hört sich ähnlich an wie im Beitrag von Kathrin Elfmann. Es klingt fast nach Imperium, vom Bloggen bis zum Management der gesamten Social Media Aktionen. Ich weiß schon kaum, wie ich einen derart anspruchsvollen Großkunden in meine täglichen Arbeitsabläufe einbauen kann. Immerhin komme ich durch Hartnäckigkeit wenigstens so weit, dass die Leute sich ein Preisangebot machen lassen. Ich bin nicht teuer. Ich arbeite aber auch nicht zu Dumpingpreisen. Man kann mit mir reden - für Dauerkunden und Großaufträge rechne ich günstiger.

Und dann passiert es:
  • Ich höre nie wieder von dem potentiellen Kunden, nicht mal ein Dankeschön für die Arbeit, die in einem individuellen Angebot steckt.
  • Der Kunde ist lautstark entsetzt, wieso ich von ihm Geld will für etwas, das ich doch jeden Tag privat verschenke.
  • Der Kunde regt sich auf, wie ich so irre sein kann, für einen lausigen Blogbeitrag und ein bißchen Fun bei Facebook und Twitter auch noch Geld zu verlangen, das könne doch heutzutage jeder!
  • Der Kunde bietet mir Ehre, Ruhm, Karrierechancensteigerung oder vielleicht ein Belegexemplar als Entlohnung an.
  • Und manche Kunden bieten mir sogar an, Beiträge aus meinen Blogs für umme abzugreifen, denn die hätte ich ja schließlich schon mal geschrieben und drum täte es mir doch nur gut, wenn die auf einer Firmen-Website erschienen.
Nein, es sind nicht die Piraten und die sogenannte Netzgemeinde, die Texter derart abzocken wollen. In meinem Fall - wie bei vielen anderen Kollegen auch - sind es vor allem große Internetplattformen, dicke Agenturen, Luxusfirmen und sogar Zeitungs- und Zeitschriftenverlage. Nein, es geht nicht um Urheberrecht, sondern um unsere Nutzungsrechte, die nicht etwa Leserinnen und Leser geschenkt haben wollen, sondern die Verwerter. Und die werden immer dreister.

Und nein, das mit den Verlagen ist kein Jux. So wie sich Buchhandlungen nicht zu schade dafür sind, Autoren zum kostenlosen Auftritt überreden zu wollen, so bekommt man sogar als ausgebildete Journalistin von potentiellen Arbeitgebern derart unlautere Angebote. Ich könne mir doch mit ihrem Blatt einen richtig schönen Namen machen, müsse nur schauen, in welch erlesener Riege ich da meine Kolumne schreiben dürfe, das färbe schließlich auf meinen Erfolg ab. Allein die Kontakte und der Name des Blattes, das sei pures Gold! Es handelte sich nicht um ein Anzeigenblättchen, sondern um ein Hochglanzmagazin.

Durchgeknallt sind diese Typen. Absolut durchgeknallt. Bin ich Jesus? Und selbst der hat die unverschämten Feilscher aus dem Tempel gejagt.

3 Kommentare:

  1. Aus Reaktionen bei Facebook ist zu entnehmen, dass sich unter den dreisten Geiz-ist-geil-Kunden auch TV- und Rundfunkanstalten oder Bildungseinrichtungen vorkommen. So weit sind wir Profitexter in der allgemeinen Wertschätzung schon auf den Hund gekommen. Wir sollten vielleicht mal einen Generalstreik ausrufen?

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  2. Gerade in der Zeit gefunden, und evtl. interessant: Kreativität muss sich für Künstler auszahlen http://www.zeit.de/kultur/musik/2012-05/musik-angebote-netz-sendelogik

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